Als der Mann mit dem Hammer kam…

tannheim78. Rad-Marathon Tannheimer Tal

Die nackten Zahlen sorgten im Vorfeld für Magengrummeln. 230km, 3300hm. Vaterfreuden und schlechte Wetterbedingungen verursachten einen kleinen Trainingsrückstand im Gegensatz zum Vorjahr. Wobei ersterer Grund ja ein schöner ist.
Micha: „Anders als bei meinen letzten Radrennen setzte ich mir hier mal kein besonderes Ziel. Einfach durchkommen wär toll. Naja und unter 10 Stunden dürften es schon sein.“
Das Wetter spielte mit und es wurden vielleicht sogar ein paar Grad zuviel.

tannheim1Der Start verlief relativ ruhig und viele gingen das Rennen recht konservativ an.
Micha: „Das kenne ich von italienischen Rennen ganz anders. Da wird sofort vom Start weggebolzt.“
Bei noch recht kalten Temperaturen um 6 Uhr in der Früh, fanden sich bald die passenden Grüppchen zusammen, um im ersten Teil Richtung Riedbergpass die Beine erstmal warm zu fahren.

Ab Obermaiselstein beginnt dann der Aufstieg zu Deutschlands höchster Passstrasse. Zu Beginn noch moderat mit etwas mehr als 5%, kündigt dann ein Verkehrsschild 16% auf 4 Kilometer an. Mittlerweile liess sich auch die Sonne blicken. Wie schön, dass die Strecke voll in deren Sichtfeld liegt.
Micha: „Das war schon ziemlich hart. Ich hielt mich noch zurück, um soviel Kräfte wie möglich zu sparen, denn der Weg war ja noch echt weit.“
Diese 6.1km-Steigung bei durchschnittlich 8,8% war aber auch irgendwann erledigt. Eine nette Anekdote gibt es vom Flachstück zwischen Riedbergpass und Hochtannbergpass noch zu berichten. Ein älteres Paar fungierte in einem 25km/h-Auto (führerscheinfrei) als Tempomacher, als sich ein Pulk von geschätzten 20-30 Fahrern in dessen Windschatten setzten. Erstaunlicherweise erreichte der Zug bisweilen 30-35 km/h. Bei viel Wind eine nette Aktion.

Verpflegungsstation3 in Balderschwang war dann die erste, die Micha nutze um Aufzutanken.
Micha: „Hier traf ich auf die Gruppe, die von Marcel Wüst (Ex-Radprofi) geführt wurde und ich versuchte mich darauffolgend an diese anzuhängen, da ich wusste, dass die die 9-Stunden-Marke anpeilen würden. Das erwies sich als recht kräftezerrend, weil da ordentlich Tempo bolzen angesagt war in der Ebene in leicht abfallendem Gelände. Mehrere Male als ich den Anschluss verlor, konnte ich mich aber mittels kleinerer Gruppen immer wieder heranfahren. Vor Beginn des Hochtannbergpasses hielten Marcel Wüst und seine Mannen nochmals an. Diesen Stopp sparte ich mir. Das sollte sich wohl später noch rächen…“tannheim3

Der 13km-Aufstieg zum Hochtannbergpass verläuft zunächst mit moderaten Steigungsprozenten, bevor die Strasse bei etwa 1000hm mit max. 10 % richtig anfängt zu steigen. Insgesamt sind bei diesem Pass der 1.Kategorie ( lt. UCI ) 906 Höhenmeter zu überwinden. Die Tatsache, das die Strasse fast gänzlich der Sonne ausgesetzt ist, erschwerte die Sache um Einiges. tannheim6Oben angekommen begrüßte eine Gruppe von Alphornbläsern die kämpfenden Pedaleure.

Zu Beginn der Abfahrt in Warth erfolgte für Micha der zweite planmäßige Stopp.
Micha: „Noch fühlte ich mich gut. Ich nahm mir hier extra etwas mehr Zeit um wenigstens einigermassen zu regenerieren. Kurz bevor ich mich dann wieder in den Sattel schwang, erschienen Marcel Wüst und Co. Ich machte mich derweil auf den Weg in die Abfahrt. Sollte ich es schaffen vor diesem Pulk zu bleiben?“

Nun folgte die Fahrt durchs Lechtal.
Micha: „Für mich der schwerste Abschnitt des Rennens. Ich befand mich zunächst in einer Gruppe, bei der ich im Windschatten mitfahren konnte. Noch waren ca. 60km bis ins Ziel zurückzulegen. Leider kam es zu einer etwas blöden Situation als einer der Mitfahrer rechts halten wollte. Es wurde hart gebremst und wieder angetreten. Da ging das Loch auf, ich verlor den Anschluss und konnte die Lücke im Wind auch nicht mehr zufahren.“
Darauffolgend war Micha lange Zeit allein unterwegs. Immer wieder ging der Blick nach hinten, ob sich eine Gruppe nähert, der er sich anschliessen könnte. Aber weit und breit war niemand in Sicht.
Micha: „Habe dann eigentlich schon bald mit der Wüst-Gruppe gerechnet.“

Ein paar Kilometer vor dem letzten Anstieg, dem Gaichtpass, erwischte er zwar nochmals eine kleine Gruppe, konnte diese aber auch nicht halten.

Am Gaichtpass, direkt zu Beginn geschah es dann: Der Mann mit dem Hammer kam!
Micha: „Da tannheim2war der Ofen völlig aus. Ich hatte beginnende Krämpfe in den Oberschenkeln. Kurz kam der Gedanke des Absteigens hoch, bin aber dennoch auf dem kleinsten Ritzel vorsichtig und langsam nach oben geschlichen. Dabei versuchte ich so geht es ging die Muskeln zu entlasten und etwas zu massieren. Ich wollte wirklich ungern absteigen und quälte mich im wahrsten Sinne des Wortes den eigentlich unbedeutenden Anstieg, der im Normalfall keinerlei Schwierigkeit darstellen würde hinauf. Danach waren es immer noch ca. 20km bis Tannheim mit immer mal wiederkehrenden leichten Steigungen von 1-3 %, die jetzt echt wehtaten. Mühsam strampelte ich Richtung Ziel, in ständiger Erwartung der Wüst-Gruppe. Ich war total am Ende“

Etwa 4 Kilometer vor dem Ziel konnte sich Micha zumindest für einige hundert Meter erneut an eine Gruppe heften.
Micha: „So langsam dachte ich das es zumindest reichen würde um vor der Wüst-Truppe zu bleiben. Aber als ich mich ca. 2,5 km vor dem Ziel umdrehte, sah ich sie kommen und 1,2 km ! vor dem Ende surrten eine Menge Laufräder an mir vorbei. Echt blöd gelaufen. Unfassbar.“

tannheim8Fazit: „Eigentlich bin ich voll zufrieden. 9 Stunden war Traumzeit, unter 10 wollte ich bleiben. Offiziell bin ich 9:01 h gefahren, also eigentlich knapp unter neun, da mein Transponder erst ca. 5 Minuten nach den ersten über die Startlinie fuhr. Hinten raus war es einfach schwer, da macht sich doch das Trainingsdefizit bemerkbar. Alles in allem hat’s gepasst.“

Tannheimer Tal 2016kurz zusammengefasst:

  • Streckenlänge: 230 km
  • Höhenmeter: 3300m
  • max.Steigung: 15%
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 26,65 km/h
  • offizielle Fahrzeit: 09h:01min
  • Platz 605 von 1018 (Gesamtwertung)
  • Platz 282 von 426 (Altersklasse)