31. Maratona dles Dolomites

Schongang endet an der
„Katzenmauer“

So langsam füllen sich die Lücken in der Liste der absolvierten Rennen bei Micha. Einige Klassiker wie Ötztaler, Nove Colli, Engadiner Radmarathon, Dreiländergiro etc. waren ja bereits abgehakt. Nun stand nach einigen Jahren erfolgloser Teilnahme an der Startplatzverlosung endlich auch die Maratona dles Dolomites auf dem Programm. Die Strecke führt zwar „nur“ über 138km, doch durch die insgesamt 4400 Höhenmeter gilt das Rennen dennoch als Radmarathon.

Micha reiste am Vortag an und hatte entschieden im Auto zu übernachten. Mangelnde Unterkunftsmöglichkeiten zu vernünftigen Preisen führten zu dieser Entscheidung. Auf einem kleinen Parkplatz kurz vor Corvara, dem Zielort, richtete er also sein Nachtlager her.

Gegen 4:30, noch bevor der Wecker klingelte, war die Nacht zu Ende.

Micha: „Ich konnte nicht mehr schlafen und auf der Strasse genau neben meinem Schlafplatz wurde der 1km-bis-zum-Ziel-Bogen aufgebaut.  Also Rad zusammenbauen, Luft prüfen, Kette schmieren und Kohlehydratspeicher füllen.“
Zum Glück waren die heftigen Regenschauer des Vorabends vorbei und der Asphalt begann bereits abzutrocknen. Gegen 5:45 machte sich Micha auf in Richtung La Villa, wo der Start stattfand und reihte sich im letzten, dem „Warsteiner“-Startblock ein. Über 9000 Fahrer aus 70 Nationen waren am Start. Unter anderem auch die Biathletin Dorothea Wierer sowie Tour de France-Sieger Bradley Wiggins. Der Start erfolgte pünktlich um 6:30. Bevor jedoch unser Fahrer die Startlinie überrollte dauerte es bis 6:57. Es staute sich schon hier.

Die erste Auffahrt auf den Passo Campolongo verlief dann auch recht stockend. Es war ein echtes Gedränge und viel mehr als Schritttempo war nicht möglich. Nach der Abfahrt dann der nächste Stau. Rundherum etwas Fluchen, etwas Meckern. Es folgte der berüchtigte Passo Pordoi. 9,3km mit 647 Höhenmeter standen an.
Micha: „Ich orientierte mich ein bißchen an der Geschwindigkeit der anderen und achtete penibel auf meinen Puls. So auch auf den folgenden Pässen um ja nicht zu überziehen.“
Hinab vom Pordoi gab es dann ein paar Nieselregentropfen, bevor es eiskalt in den Anstieg zum Sellajoch ging. Nach 6,5 km, gespickt mit einigen 2stelligen Prozentwerten, erreichte man den höchsten Punkt des Rennens mit 2244m. Auch auf der folgenden Abfahrt wurde man von leichtem Regen überrascht. Das Grödnerjoch im Anschluss stellte keine allzu große Herausforderung dar und komplettierte erstmal die berühmte Sellarunde. Zu Beginn des Anstiegs gönnte Micha sich mal eine erste Pause an der zweiten Verpflegungsstation.
Micha: „Alles lief nach Plan. Ich war noch richtig frisch.“ 
Nach der Durchfahrt durch Corvara verlief die zweite Auffahrt des Campolongo wesentlich ruhiger. Besonders die italienischen Mitradler, die sich und alle anderen auf den Pässen zuvor noch lautstark unterhalten hatten, waren jetzt auch verstummt. Es folgte eine gewisse Übergangsfahrt zwischen dem Campolongo und dem Scharfrichter des Rennens: dem Passo di Giau!
Micha: „Am Fusse des Anstiegs zog ich vorsichtshalber mal die Windweste aus. Jetzt würde mir schon warm genug werden. Die Kette zumindest blieb an diesem Anstieg Dauergast auf dem 30er Ritzel.“
Zu Beginn sieht man nur eine kurze Rampe von knapp 300 m, die steil nach oben führt. Doch Vorsicht! Wenn man denkt, es wird nach den 300 m flacher, und man bereits hier sein Pulver verschossen hat, wird man dies auf den folgenden knapp 9 km bitter bereuen. So wie die Steigungsprozente auf den ersten Kilometern Meter für Meter zunehmen, fällt die gefahrene Geschwindigkeit bis in den einstelligen Bereich. Darüber hinaus gibt es auf den folgenden 29 Kehren und knapp zehn Kilometern nicht ein Mal die Möglichkeit kurz zu verschnaufen, nur das eine oder andere Holzbrückchen über den Codalongo erlaubt einem für maximal 30–50 m die Beine kurz zu lockern. Ansonsten heißt es, sich meterweise nach oben kurbeln. Nach etwa sechs Kilometer erreicht man die Galerien, in der die Straße nochmal kurz bis auf 12–15 % ansteigt. Von hier an schraubt sich die Straße bis kurz unterhalb der Passhöhe mit konstanten 10 % Kehre um Kehre nach oben.
Micha: „Ich hatte mir die Kräfte gut eingeteilt. Deshalb hatte ich hier auch keine größeren Probleme. Da ich den Pass schonmal gefahren war, wusste ich auch, dass der ein echtes A****loch ist. Das Ding hat ja quasi nie einstelllige Steigungsprozente. Witzigerweise kurbelten hier alle stumm nach oben, außer die Spanier. Die hatten richtig Spass und anscheinend noch einige Reserven.“
Auf dem Gipfel angekommen, gönnte sich Micha seine dritte und letzte Pause. Auch traf er hier seine Parkplatz-Übernachtungs-Nachbarn wieder. Zwei Jungs aus dem Raum Augsburg, die ebenfalls das erste Mal dabei waren. Man wünschte sich gegenseitig noch viel Erfolg und Kette rechts und schwang sich wieder in den Sattel. Zum Abschluss stand noch der Passo Valparola über Anfahrt des Passo Falzarego auf dem Programm und schließlich die Mür dl Giat, die „Katzenmauer“, mit 19% Steigung.
Micha: „Vor der Wand hatte ich im Vorfeld echt Respekt und der wurde noch verstärkt, als ich dort bei der Anreise testhalber mal mit dem Auto rauffuhr. „
Nachdem sich Micha also, wie alle anderen auch die Falzarego/Valparola-Kombi hochgequält hatte, drehten sich die Gedanken auf der schönsten Abfahrt des Tages bereits nur um die „Miezenrampe“.
Micha: „Dann war es soweit. Es ging rasant durch den Ort La Villa. Abzweigung rechts: Welch ein Anblick. Mit dem schwarzen luftgefüllten Torbogen auf der Kuppe, gesäumt von zahlreichen, lautstarken Zuschauern erhoben sich etwa 350m Strasse mit 19% Steigung und zu meinem eigenen Erstaunen stellte ich fest, so platt war ich gar nicht. Mit zwei kurzen Klicks wurde die Kette zwei Ritzel nach untern befördert. Jetzt wollte ich nochmal alles rausholen. Im Zickzack ging es zwischen den anderen Radlern hindurch. Keiner war in dem Moment schneller. Oben allerdings wäre ich gleich explodiert.“
Bestätigt wurde der schnelle Antritt durch der Ergebnisse des Bergzeitfahrens beim Erklimmen der Mür dl Giat. Hier erzielte Micha gesamt die 613. Zeit von 4412 Finishern, in der Altersgruppe Rang 109 von 554 ! Von hier aus waren es nur noch 5 leicht ansteigende Kilometer bis zum Ziel.
Micha: „Ich wollte eigentlich entspannt über den Zielstrich fahren,…eigentlich….“
Bei der 1km-Marke wurde nochmal das Tempo erhöht.
Micha: „Ich klebte an einem schnellen Hinterrad. Bei etwa 500 Meter vor dem Ziel zog einer Schnellerer vorbei. Man lässt sich ja dann halt doch verleiten. Also rein in den Windschatten. Die letzte Linkskurve vor dem Ziel konnte ich wegen eines anderen Radlers nicht ganz so gut von außen ansteuern. Allerdings hatte ich da schon 2 Gänge hochgeschaltet. Man lernt halt mit den Jahren auch im Sprint dazu. Rum um die Kurve und Volllast reintreten. Es fehlten schon etwa 2-3 Meter. Im Ziel war ich dann dennoch ein paar Zentimeter vorn!“ Leider büsste ich das explosive Finale mit einem Krampf im Oberschenkel, der mich zu ein paar Minuten Stillstand zwang, bevor ich meine Finisher-Medaille in Empfang nehmen konnte.“ 
Mit 8 Stunden und 13 Minuten verpasst er leider das Limit für einen Startplatz in einem Startblock weiter vorn im nächsten Jahr.

Michas Fazit: „Eine absolute Mega-Veranstaltung in einer Hammer-Landschaft. Ein paar Grad hätte es wärmer sein dürfen. Auch bin ich das Rennen vielleicht ein bißchen zu defensiv angegangen. 43 Minuten Pause ist vielleicht ein wenig zuviel gewesen. Trotzdem war meine Renneinteilung ideal und vielleicht klappts ja nächstes Jahr noch einmal mit einem Startplatz. Dann müssen die 8-Stunden fallen!“

kurz zusammengefasst:
Streckenlänge:138
Höhenmeter:
4230
max. Steigung:19 %
Durchschnittsgeschw.18,26 km/h
Fahrzeit (netto)7h:30min
offizielle Fahrzeit:8h:13min
Gesamtwertung:3308. von 4412
Wertung Altersklasse:458. von 554