6.Engadin Radmarathon 2011

2 Männer vs. 5 Berge

Engadin-Radmarathon

Zernez:
Gut gelaunt, trotz der Wettervorhersage: Regen, machten sich Jens und Micha am Vortag des Rennens auf den Weg ins wunderschöne Engadin. Für diese Reise sattelte man das mutmaßliche Begleitfahrzeug der TdG 2011 (Opel Movano), und beschloß im Laderaum des Transporters zu übernachten. Tüftler Jens sorgte am Abend dann noch mit einer Konstruktion aus Spannseilen, Dichtmassenkartuschen und der Hecktür, für eine perfekte Sicherheitsvorkehrung, bei gleichzeitiger Belüftung während des Schlafes. So manch ein Ingenieur wäre vor Neid erblasst.
Am Morgen dann hatten die beiden die Ruhe weg. Während (ohne Scherz!) gegen 6:20 Uhr (Start 7:00) die ersten Starter im Startblock 1 mit den Hufen scharrten, gönnte man sich noch ein ausgiebiges Frühstück und gesellte sich ca. zehn vor sieben in Startblock 2.
Die Ziele waren gesteckt: Micha wollte unter 8 Stunden bleiben, Jens einfach fahren und sehen was rauskommt.
engadin1Der Startschuss erfolgte und ohne Einrollkilometer ging es bergan in Richtung Ofenpass, bevor man vom Munt la Schera-Tunnel verschluckt und in Italien wieder ausgespuckt wurde. Micha konnte in dieser finsteren engen Röhre eine entstandene Lücke schließen, nachdem er viel Zeit auf der Abfahrt verloren hatte. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben…
Jens:„Das war echt strange! Der Tunnel war so schmal, das eigentlich nur 2-3 Fahrer nebeneinander fahren konnten und man den Eindruck gewann als zische man mit Highspeed da durch. Ein Blick auf den Tacho brachte die Ernüchterung: ca. 26 km/h. Es ging wohl leicht bergauf.“
Nach dieser eindrucksvollen Durchfahrt ging es durch unendlich lange, in Fels eingelassene Galerien den Forcola Pass hinauf auf 2315 m. Nach einer kurzen Abfahrt, auf der Micha erneut hart erarbeitete Zeit verlor, folgte sogleich der Berninapass mit einer Scheitelhöhe von 2328 m. Gemessen an der 2.Hälfte der Marathonstrecke, war das aber alles Kindergeburtstag. Doch dazu später.
Nach der Abfahrt, Micha hatte sich gerade in einer guten 4er-Gruppe zusammengefunden, der erste Zwangsstopp des Tages: Rote Ampel – Bahnübergang! So schloss sich wieder eine größere Gruppe zusammen, mittendrin unsere beiden Helden. Micha muste im Verluf des Tages ein weiteres Mal an einer Bahnschranke halten und am Albulapass durfte nach Micha auch Jens nochmals an einer Baustellenampel eine Pause einlegen.
Nach den ersten Kletterpartien, ging es dann wieder in zügigen Gruppenfahrten in Richtung Zernez, wo bei Kilometer 97 die kurze Runde endet und auf Fahrer der langen Runde, wie unsere beiden Akteure die 2.Labestation des Tages wartete. Die erste wurde von Jens und Micha ausgelassen.
Irgendwo auf diesem Streckenteil zwischen Zuoz und Brail drohte Micha den Anschluss an seine Gruppe zu verlieren, bevor Jens das Zepter übernahm und die Lücke schloß.
engadin4Micha:„Da muss ich mich echt bei Jens bedanken. Ich hätte das ja auch zufahren können, doch in Anbetracht der 2.Streckenhälfte und meinen Negativ-Erfahrungen vom Amade. Hab ich da die Beine hochgenommen und gedacht das soll doch ein anderer machen. Naja und dann war es halt der Jens.“
Nach 97 km erreichte man die Streckenteilung und somit auch die Verpflegungsstelle in Zernez. Hier stellten sich die unterschiedlichen Boxenstrategien der zwei Fahrer heraus. Während Micha in Zernez nur kurz hielt und Getränke tankte, nutzte „Freßsack“ Jens den vollen Verpflegungsumfang aus. Vielleicht lag es an der falschen Vorbereitung am Vorabend, als sich Micha bei der Pasta-Party 2, Jens jedoch nur 1! Teller Nudeln einverleibte. Was war da los?
Letzterer nutzte auch alle kommenden Stopps, hingegen Micha ließ die Labe auf dem Flüela aus, hielt aber außerplanmäßig auf dem Albula.
Micha:„Da wollte ich ja auch eigentlich durchfahren, doch dann war der Hunger einfach zu groß.“
engadin3Rein in die 2.Hälfte. Kurzes einrollen nach der Pause und den Flüelapass rauf. In mehreren Kehren gewinnt die Strasse rasch an Höhe. Steigungen zwischen 7 % und 9 % bilden die Kulisse für den recht happigen Anfang dieses Passes. Nachdem die Anfangssteigung überwunden ist, folgt ein etwa 2 km langes flacheres Stück mit Steigungen um die 4 %, eine wohl verdiente Erholung für die ersten 4 km im untern Teilstück. Doch schon bald ist Schluss mit lockerem Pedalieren. Die Strasse überquert die Baumgrenze und es offenbart sich eine karge, aber nicht minder faszinierende Gebirgslandschaft. Die Zeit der Kehren ist vorläufig vorüber, auf einer beinahe geraden Strecke mit Steigungen von durchschnittlich 8 % (Maximum 10 %) schlängelt sich die Passstrasse auf 2383 m Höhe. Micha:„Das war schon richtig happig.“
Jens:„Der Anfang hat ja gleich richtig reingehauen.“
Als der erste Riese bezwungen war, kam es wie es kommen musste: Regen! Heftiger Regen!
Micha:„Ich war da in einer etwa 10köpfigen Gruppe. Der Tacho zeigte 50! Aber nach einiger Zeit war mir das echt zu riskant. Während einer Tunneldurchfahrt, dunkel, nass, null Sicht, liess ich abreissen. Hab die Jungs zwar an der nächsten Steigung wieder eingeholt, doch auf der darauffolgenden Abfahrt lieber Vorsicht walten lassen.“
Jens:„Das war schon heftig, hätte ich auch nicht gebraucht. Das größte Problem dabei, war echt die Sicht!“
engadin2Ab ca. Kilometer 150 dann der Knackpunkt des Rennes: der Albulapass. Hier spielten Zeitgewinn oder Kämpfe um Positionen keine Rolle mehr. Es ging nur noch um eins: Überleben!
Zwar gewinnt die Strasse erst nach 5 km in zwei Serpentinen rasch an Höhe. Auf den folgenden 2 km bis Bergün sind jetzt aber stattliche 10 % Steigung zu erklimmen. Gleich nach dem Ortsausgang von Bergün steigt die Straße erneut beachtlich an. Steigungen zwischen 8 und 11 % führen Richtung Preda. Kurz vor Preda wird die Straße für kurze Zeit wieder flacher. Doch schon bald geht es weiter bergauf. Auf knapp 1900 m erscheint ein smaragdgrüner Bergsee und der Rand der Baumgrenze war erreicht.Für die letzten 4 km bis zur Passhöhe musste nochmals eine Steigung von durchschnittlich 7 % überwunden werden. Nach 1280 gekletterten Höhenmetern war dann die Passhöhe von 2315 m errreicht.
Jens:„Auf dem Albula hatte ich dann echt keinen Bock mehr!“
Micha:„Schön zu sehen, dass hier alle im kleinsten Gang kämpften. Gruppen suchte man hier vergebens, das war ein Kampf Mann gegen Berg.“
Mit den letzten Kräften kämpfte man sich über die letzten etwa 20 km ins Ziel nach Zernez.
Micha verpasste sein Wunschziel 8h um 33 Minuten, Jens beendete seine kulinarische Labe-Rund-Reise nach 9h17min.
Micha:„Gott tat das weh! Herrlich! Mein Ziel hab ich ja verpasst, aber selbst ohne Ampelpausen, Regen und mit mehr Risiko auf den Abfahrten hätt ich es rückblickend wohl nicht geschafft. Da bleibt also noch ne Rechnung im Engadin offen für 2012. Ein besonders waghalsiger Abfahrer war ich ja noch nie, aber ich find noch kein richtiges Vertrauen zum neuen Rad und den Laufrädern. Es wurde zwar stetig besser, doch nach dem Regen bei klitschnasser Fahrbahn liess ich lieber etwas Vorsicht walten. Albula, see you next year!“
engadin5Jens:„Es war richtig hart, aber es hat auch Spass gemacht. Unterwegs hab ich richtig coole Leute kennengelernt, wie zum Beispiel „Kamikaze“-Fritz aus Bautzen. Echt ’ne lustig Type, der halsbrecherisch auf der Abfahrt nach dem Albula mit dem Kinn auf dem Lenker ins Tal schoß. Das hier ist wirklich ne Wiederholung wert.“

engadin
kurz zusammengefasst:

    • Streckenlänge: 211 km
    • Höhenmeter: 3827m
    • max.Steigung: 11%
    • Micha:
    • Durchschnittsgeschwindigkeit: 24,67 km/h
    • offizielle Fahrzeit: 8h:33min:01sec
    • Platz 181 von 335 (Altersklasse)
    • Platz 286 von 576 (Gesamt)
    • Gesamtwertung Alpencup: Platz 25 (nach 2 von 3 Marathons)
    • Jens:
    • Durchschnittsgeschwindigkeit: 22,72 km/h
    • offizielle Fahrzeit: 9h:17min:02sec
    • Platz 258 von 335 (Altersklasse)
    • Platz 412 von 576 (Gesamt)