43. NOVE COLLI

Neunmal Schmerz

novecolli2Cesenatico(ITA):
Zwei Monumente des italienischen Radsports sollte man einmal gefahren sein, den Marathona dles Dolomites und den Nove Colli. Letzteren absolvierte Micha am Pfingtssonntag, nachdem er für die Veranstaltung in den Dolomiten im Winter keinen Startplatz erhalten hatte.
Der Nove Colli ist nix für Langschläfer. Frühstück war um 4.30 Uhr, Start um sechs. 12000 Rennradler versammelten sich am Kanalhafen im Urlaubsort Cesenatico, davon etwa 400 Deutsche und mittendrin Micha.
Micha:„Ich stand in Startblock 4 von 7. Es war nicht so kalt in der Früh wie befürchtet. Mein Ziel lautete eigentlich 8 Stunden oder wenigstens 8 Stunden 15 Minuten, denn damit würde ich mich für Startblock 2 im nächsten Jahr qualifizieren.“
novecolli3Soviel zur Theorie, doch nun zum praktischen Teil. Gegen 6.12 Uhr erfolgte der Startschuss des besagten 4.Startblocks. Sofort bildeten sich große Gruppen und der Schnitt lag meist zwischen 35 und 40 km/h.
Micha:„Da ging am Anfang so richtig die Post ab. Alles lief super auf den ersten ca. 30 flachen Kilometer.“
Als erster Anstieg stand die Polenta auf dem Programm mit bis zu 15% Steigung, jedoch stellte das für Micha erstmal kein Problem dar, genauso wie der Pieve di Rivoschio, Anstieg Nr.2. Zwischen diesen beiden Anstiegen bei Kilomleter 50, lag der Schnitt bei 30,8 und die Zeit bei 1h:38min.
Micha:„Das sah doch gut aus. 22 Minuten Reserve auf die 8 Stunden-Marke, das sollte doch langen, dachte ich…“
Der dritte Berg, der Chiola, verlief ziemlich reibungslos, außer das es leicht anfing zu regnen und so langsam näherte sich Micha dem Scharfrichter, dem Barbotto.
Micha:„Bergauf war alles im grünen Bereich. Auf den Abfahrten hingegen merkte ich schnell, das die Südländer es so richtig krachen liessen. Da gehörte ich doch zu den Langsameren. Aber bekanntlich ist ja Vorsicht die Mutter des Carbonbikes oder so ähnlich… Als dann auf der zweiten Abfahrt, nach einem lauten Knall, der einen Reifenplatzer signalisierte, der Reiter des besagten Rades aus dem Sattel geworfen wurde, meldete mein innerer Schweinehund seine Ansprüche auf noch vorsichtigere Fahrweise bergab an. Ich gab ihm Recht.“
novecolli5Der Barbotto gilt eigentlich als schwerster Anstieg des Nove Colli. Nicht wegen seiner Länge, sondern weil er oben raus immer steiler wird und auf dem letzten Kilometer 18% Steigung erreicht. Hier wurde ebenso wie später am Gorolo die Zeit fürs Bergfahren gestoppt. Das und die Tatsache das viele Zuschauer den Wegesrand säumten und auf der Kuppe ein Zwischenziel eingerichtet war, mit Streckensprecher, Musik und allem was dazu gehört, veranlassten Micha in den letzten Kehren hochzuschalten und im Wiegetritt noch etwas Tempo zuzulegen.
Micha:„Na gut da hab ich vielleicht das ein oder andere Körnchen liegen lassen, aber man wurde da regelrecht angestachelt noch was draufzusetzen.“
In der folgenden Abfahrt bei Kilomter 100 der Bange Blick auf die Uhr: 4h:02min. So langsam dämmerte es Micha, dass seine Traumzeit im Ziel, wohl würde ein Traum bleiben. Nun kam es zur Streckenteilung und die Fahrer der großen Runde bogen in einer Haarnadelkurve auf den 2.Teil der Tour mit Berg 5-9 ab und es wurde einsamer. Wie sich später herausstellte nahmen nur ein Drittel der Teilnehmer diese Tortur in Angriff.
Auf dem Programm stand nun Anstieg Nr.5, der Monte Tiffi. Zwar mit bis zu 16%, aber laut Streckenplan der kürzeste. In der Theorie also unbedeutend…
Micha:„Dieses Drecksding wollte mir doch echt den Zahn ziehen. Kann es mir zwar selber nicht erklären, aber da bin ich fast in ne Krise gefahren. Zusammen mit dem folgenden Perticara waren es für mich die 2 schwersten Berge des Rennens. Einen Augenblick lang machte ich mir ernsthafte Sorgen, ob ich es würde zu Ende fahren können.“
Der Perticara offenbarte dann seine erbarmungslose Seite. Es wurde zunehmend heißer und natürlich lag der Anstieg dazu auch wunderbar unter der gleißenden Sonne. Oben angekommen gönnte sich Micha hier Pause Nummer 2, die letzte des Tages. Vielleicht lag es an der leckeren Piadine die er sich dort gönnte, denn von da an lief es wieder wesentlich besser. Man weiss ja nicht was die italienischen Radsportenthusiasten da so in die Füllung zwischen Käse und Salami mischen.
novecolli6Der Monte Pugliano und der Passo delle Siepi, Anstieg 7 und 8, wurden ordentlich gemeistert, auch wenn von entspanntem Radeln schon lange keine Rede mehr war. Zusammen mit einer einheimischen Fahrerin teilte sich Micha die Windschattenarbeit auf dem Weg zum Gorolo, dem krönenden Abschluß. Noch ein letztes Mal warteten bis zu 18% Steigung.
Micha:„Mit Schwung ging es in den Berg. Erstaunlicherweise lief es ziemlich gut. Ich war bei Weitem nicht der Langsamste und konnte den ein oder anderen noch stehen lassen.“
Wahrscheinlich war es einfach dieser unbedingte Wunsch endlich dieses Auf und Ab zu beenden, welcher die letzten Reserven freisetzte mit denen Micha den finalen Anstieg im Wiegetritt emporstieg.
Micha:„Eigentlich hatte ich laut Streckenberichten erwartet es würde nun bergab nach Cesenatico gehen, aber weit gefehlt. Der ein oder andere Nadelstich wartete noch. Alles Erhebungen die man auf einer üblichen Trainingsfahrt auf dem großen Blatt drüber drückt, die jetzt aber nach über 190km das Potenzial hatten den Willen zu brechen. novecolli4 Als ich nach Cesenatico hineinfuhr hatte ich gerade eine kleinere Gruppe eingeholt. Eins war für mich völlig klar: Ich wollte allein ins Ziel fahren! Eine letzte Autobahnüberführung – der letzte Antritt! Geschafft! Solofahrt dem Ziel entgegen! Irre!
Micha verfehlte sein Ziel von 8 Stunden klar um 44 Minuten. Dennoch war der Nove Colli 2013 ein geniales Event.
Micha:„Man merkt einfach das die Italiener „ihren“ Radsport lieben und leben. Eine unglaubliche Organisation. Mehrere hundert Meter Expo-Gelände, Zuschauertribüne im Zielbereich, Fernsehübertragung auch per Helikopter und Gaststarter wie beispielsweise Ex-F1-Pilot Jarno Trulli (7h51min) sprechen für sich. Einziger Makel bleiben die Strassen. Auf den Abfahrten speziell den letzten gab es regelrechte Rüttelpisten, auf denen ich in mancher Kurve fast bis zum Stillstand abbremste. Wie auf der Baustelle. Momentan würde ich aufgrund der Strassen eigentlich nicht nochmal beim Nove Colli starten, aber wer weiss ob es nächstes Jahr nicht doch wieder in den Wadeln juckt…“

novecolli2013
kurz zusammengefasst:

  • Streckenlänge: 200 km
  • Höhenmeter: 3840m
  • max.Steigung: 18%
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 23,45 km/h
  • offizielle Fahrzeit: 8h:44min
  • Platz 2448 von 3779 (Gesamtwertung)
  • Platz 341 von 446 (Altersklasse)
  • Zeitfahren Barbotto: Platz 3137 von 10196
  • Zeitfahren Gorolo: Platz 2192 von 3655